Trotz schlimmer Unfälle: Darum gibt es im Linienbus keine Gurtpflicht

Anfang September hatte in Braunschweig eine Frau nach einem Sturz im Bus ihr Leben verloren. Auch sonst kommt es immer wieder zu verletzten Fahrgästen. regionalHeute.de fragte im Bundesverkehrsministerium nach.

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Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Pixabay

Region. Anfang September kam es in Braunschweig zu einem tragischen Verkehrsunfall in einem Linienbus. Der Busfahrer musste eine Gefahrenbremsung einleiten. Ein weiblicher Fahrgast (66), der bereits zum Aussteigen aufgestanden war, stürzte und zog sich tödliche Kopfverletzungen zu.



In den vergangenen Wochen und Monaten gab es weitere Fälle, wenn auch mit glimpflicherem Ausgang, in denen in der Region Fahrgäste in Linienbussen verletzt wurden. So wurden im Mai in Braunschweig sechs Fahrgäste eines Busses verletzt, als dieser gegen eine Werbetafel krachte (regionalHeute.de berichtete). In Gifhorn musste Ende Juli ebenfalls ein Busfahrer eine Notbremsung hinlegen. Dabei stürzte eine Passagierin von ihrem Sitz und verletzte sich. Und Ende September verletzte sich in Peine eine Frau im Bus, als dieser abrupt abgebremst werden musste.

Eine Frage der Sicherheit


Die Fälle werfen Fragen zur Sicherheit in Linienbussen auf. Anders als in Reisebussen gibt es hier keine Anschnallpflicht, da das Konzept des ÖPNV eine starke Fluktuation der Fahrgäste und auch Stehplätze vorsieht. Doch wie wird es vom Gesetzgeber begründet, dass für Linienbusse, die ja teilweise auch über Land und auf der Autobahn fahren, andere Sicherheitsstandards gelten als für Reisebusse? regionalHeute.de fragte beim Bundesministerium für Verkehr nach und wollte auch wissen, ob man dort gegebenenfalls Änderungsbedarf sieht.

Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums klärt über die rechtlichen Grundlagen auf: "Paragraph 21a Absatz 1 HS. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ordnet an, dass vorgeschriebene Sicherheitsgurte während der Fahrt angelegt sein müssen. Wann Sicherheitsgurte in Fahrzeugen vorgeschrieben sind, richtet sich dabei nach international harmonisierten Typgenehmigungsvorschriften."

Hier gilt Gurtpflicht


Demnach gelte die Gurt-Ausrüstungspflicht in Bussen ausschließlich für bestimmte Bustypen (seit dem 20. Oktober 2006 für neue Fahrzeugtypen und seit dem 20. Oktober 2007 für alle Erstzulassungen). Dies seien Fahrzeuge, die ausschließlich für die Beförderung sitzender Fahrgäste gebaut sind.

"Hingegen müssen Busse mit Stehplätzen, die die Beförderung von Fahrgästen auf Strecken mit zahlreichen Haltestellen ermöglichen und unter anderem so ausgelegt sind, dass die Beförderung stehender Fahrgäste im Gang (und/oder in einem Bereich, der nicht größer ist als der Raum von zwei Sitzbänken), möglich ist, nicht mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sein", so die Sprecherin.

"Gurtpflicht nicht praxisgerecht"


Im allgemeinen Linienverkehr sei eine Sitzplatz- und Gurtpflicht nicht praxisgerecht. "Viele Fahrgäste fahren im städtischen Bereich nur wenige Stationen mit, sodass ein häufiger Fahrgastwechsel erfolgt. Auf die Nutzung von Stehplätzen kann zudem aus Kapazitätsgründen nicht verzichtet werden. Fahrgästen wäre es darüber hinaus nicht vermittelbar, von ihnen ein Gurtanlegen zu fordern, wenn gleichzeitig stehende Personen befördert werden", heißt es aus dem Ministerium.

Mit Blick auf die Verkehrssicherheit würden bei der Beförderung stehender Fahrgäste jedoch auch Sonderregeln gelten: "Sobald Kraftomnibusse mit Stehplätzen außerhalb geschlossener Ortschaften fahren, beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit lediglich 60 km/h", berichtet die Ministeriumssprecherin. Daneben könnten die für die Personenbeförderung zuständigen Genehmigungsbehörden im Überlandverkehr auch die Zulässigkeit von Stehplätzen ganz oder teilweise ausschließen.

Kein Handlungsbedarf


Gesetzlichen Anpassungsbedarf sieht das Bundesverkehrsministerium aktuell nicht.