LINKE: „Antrag auf Einsetzung eines 22. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses“ - Originalrede

von Marc Angerstein




Rede von Hans-Henning Adler, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Landtag, zum TOP „Antrag auf Einsetzung eines 22. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses“, ungekürzt und unkommentiert:

- es gilt das gesprochene Wort -

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Wenn ich hier eine Rede halte, wende ich mich naturgemäß an die Regierung oder die Regierungsfraktionen, um eine alternative Politik einzufordern. Diesmal wende ich mich aber eigentlich nur an die SPD, weil es für einen PUA einer qualifizierten Minderheit von 20 Prozent der Stimmen bedarf und auch eine Zustimmung der Grünen zu unserem Antrag dafür nicht reicht. Ich will mit dieser Rede Sie, liebe sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen, überzeugen, nach dem ersten Schritt der ausgiebigen Befragung, die ja nichts gebracht hat; nun auch den zweiten zu gehen, nämlich den PUA mit uns einzurichten. Mein Appell lautet: Seien sie konsequent als Oppositionspartei, seien Sie mal mutig und schonen sie nicht das Regierungslager und das auch von Ihnen kritisierte damit untrennbar verbundene System Wulff.

Wir wollen Aufklärung über die Verfilzung politischer und wirtschaftlicher Interessen im System Wulff, welches sich um die CDU-FDP-Regierung in Hannover herausgebildet hat. Was uns gestern Herr Möllring geboten hat, zeigt, dass man allein mit Fragen nichts erreichen kann, weil nur Ausflüchte als Antworten kommen. Wir brauchen eine richtige Untersuchung, bei der wir nicht darauf angewiesen sind, Fragen von den Beschuldigten beantwortet zu bekommen, deshalb wollen wir Zeugen vernehmen und vereidigen.

Dass uns das weiterbringen wird, will ich an drei Beispielen verdeutlichen:
1. Herr Wulff hatte in dem Fernsehinterview zu den günstigen Zinsbedingungen, die ihm die BW-Bank geboten hatte, gesagt: Das war ein ganz normaler Kredit zu üblichen Konditionen. Eine Kreditbereitstellung für drei Monate mit Verlängerungsmöglichkeit. Aber hätte jeder andere zur Finanzierung eines Hauskredites auch solche Konditionen bekommen?
Dazu war gestern Abend im Fernsehen bei Tagesthemen zu hören, dass die BW-Bank so genante „gehobene Privatkunden“ ab einem Vermögen von 2 Mio. Euro einstuft. Wulff hätte sich eigentlich am Schalter anstellen müssen, er wurde aber als „gehobener Privatkunde behandelt, weil er Ministerpräsident war, er bekam also seinen Sonderkredit in Bezug auf sein Amt. Das, was wir dazu im Fernsehen gehört haben, würde ich gern von dem zuständigen Mitarbeiter der BW-Bank für diese „gehobenen Privatkunden“ bestätigt haben, und zwar als Zeuge, dann wäre Wulff des Verstoßes gegen das Ministergesetz überführt.
Übrigens: Ich bin von Journalisten gefragt worden, ob die Vernehmung von Bank-Mitarbeitern nicht am Bankgeheimnis scheitert. Bei der Beantwortung der 100 Fragen der Grünen beruft sich Herr Möllring auch ausdrücklich auf das Bankgeheimnis. Das Bankgeheimnis ist aber kein Auskunftsverweigerungsrecht nach der Strafprozessordnung, die gilt aber im Verfahren eines Untersuchungsausschusses. Das macht doch den PUA so interessant.

2. Herr Wulff will von vielen Vergünstigungen, die er bekommen hat, nichts gewusst haben. So von der Finanzierung der Anzeigenkampagne für sein Buch durch Herrn Maschmeyer oder der Bezahlung der Hotelrechnung, genauer des Hotelupgrades, für seinen Besuch beim Oktoberfest in München durch Herrn Groenewold, einem Subventionsempfänger der Landesregierung. Beides ist unglaubwürdig, weil es lebensfremd ist, dass diese finanziellen Förderer von Herrn Wulff das vor ihm geheim gehalten haben. Widerlegen können wir seine Einlassung aber nur, wenn wir Herrn Maschmeyer und Herrn Groenevold als Zeugen vernehmen.

3. Hat Herr Wulff als Schirmherr des Nord-Süd-Dialogs wirklich nichts von den Verbindungen seines engsten Vertrauten, des Staatssekretärs Glaeseker, zu dem Event-Manager Schmidt und dem Umstand gewusst, dass Herr Glaeseker bei Herrn Schmidt kostenlos Urlaub machen konnte? Ich kann es mir nicht vorstellen. Zumal wir inzwischen auch wissen, dass die MHH mit ihren Studierenden ohne jede Gegenleistung den erlesenen Gästen dieser Veranstaltung Häppchen servieren musste. Die Vernehmung  der Zeugen Schmidt, Glaeseker und der Verantwortlichen der MHH zu diesem Fragenkomplex kann den Beweis liefern, dass hier seitens der Landesregierung gegenüber dem Parlament falsche Auskünfte erteilt wurden, wenn nicht sogar noch mehr herauskommt.
Schon beim Wulff-Interview im Fernsehen, noch deutlicher gestern bei Herrn Möllring konnten wir erleben, wie die Befragten versucht hatten mit der Methode der Ablenkung zu arbeiten. Da ist bei Herrn Wulff von der Frau auf Norderney die Rede, die Süßigkeiten verkauft und ihm ein  Zimmer zum Übernachten gegeben hatte oder bei Herrn Möllring von einem Kindergeschenk, einem Bobby-Car. Darum geht es nicht. Wir werden in einem Untersuchungsausschuss die Themenfelder so eingrenzen, dass wir uns auf die wesentlichen Kritikpunkte konzentrieren. Der zeitliche Rahmen des Untersuchungsausschusses ist deshalb auch überschaubar. Es wird der Regierungsmehrheit nicht gelingen, das Thema bis über die Landtagswahl zu verschleppen.  Wir sollten deshalb aber auch nicht mehr länger warten und  spätestens nach der Behandlung unseres Antrages im zuständigen Ausschuss, den Untersuchungsausschuss in der Februar-Sitzung des Landtages mit seinem konkret abgegrenzten Aufgabenfeld beschließen.

Ich will Ihnen, liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten noch ein ganz anders Argument für den PUA nennen: Was passiert, wenn man keinen Untersuchungsausschuss macht. Dann geht die Hoheit der weiteren Ermittlungen endgültig auf die Presse über. Das ist keine Presse-Schelte. Die Presse füllt hier doch nur die Lücke, die die Politik lässt. Ohne PUA bestimmt die Presse die Art und das Tempo der weiteren Aufklärung. Wir haben doch schon erlebt, wie die Bild –Zeitung scheibchenweise Informationen, die ihr vorlagen, benutzt und im Sinne ihrer Verkaufsstrategie dosiert eingesetzt hat. Das wird übrigens auch kritisiert, z.B. von der FAZ; die vor der „totalen Macht des Boulevards“ gewarnt hat oder von der Journalistin Kerstin Decker in der taz, die geschrieben hat: „Auch Mediokratie ist eine Gefährdung der Demokratie“. Wir sagen deshalb. Jetzt sollte die Politik das Heft des Handels wieder in die Hand nehmen und den Prozess der Aufklärung selbst gestalten, um die Verfehlungen des ehemaligen Ministerpräsidenten offenzulegen und zu beweisen.
Wir müssen auch dafür sorgen, dass eine solche Aufklärung in den Institutionen stattfindet, die der Rechtsstaat dafür bereitstellt.

Nun liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind Sie dran, ich habe ja schon ein paar Andeutungen aus Ihrem Lager gehört, dass Sie unseren Antrag gar nicht so abwegig finden, aus der SPD-Bundespartei ist auch zu hören, dass z.B. Herr Steinmeier unseren Weg für den richtigen hält. Ich fordere Sie auf, Lassen Sie uns gemeinsam den Sumpf des Systems Wulff trocken legen, helfen Sie mit, haben Sie Mut, stimmen Sie der Einrichtung des PUA zu: hic Rhodos hic salta.


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