Geschmackloser Twitter-Post von Ratsmitglied nach Anschlag in Magdeburg

Ein CDU-Ratsmitglied kommentierte auf seinem X/Twitter-Account den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt: "Ich habe hierfür volles Verständnis."

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Auf dem Account tux0r postete der CDU-Ratsherr zum Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt.
Auf dem Account tux0r postete der CDU-Ratsherr zum Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. | Foto: Screenshot X/Twitter; dts Nachrichtenagentur

Braunschweig. Am gestrigen Freitag kommentierte das CDU-Ratsmitglied Sven-Markus Knurr (ehemals Piraten) auf seinem X/Twitter-Account tux0r die Eilmeldung, dass ein Auto in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg gefahren war. Sein unbedachter Beitrag, in dem er erklärte, er habe „hierfür volles Verständnis“, löste prompt Empörung aus. Die Reaktionen auf diesen Tweet, der angesichts des schrecklichen Vorfalls als äußerst geschmacklos und unsensibel wahrgenommen wurde, ließen nicht lange auf sich warten.



regionalHeute.de nahm direkt Kontakt mit der CDU-Fraktion in Braunschweig auf und sprach mit dem Vorsitzenden Thorsten Köster. Dieser zeigte sich erschüttert von Knurrs Kommentar und betonte, dass die CDU zunächst keine Kenntnis von dem Post hatte. „Ich halte das für unangebracht“, so Köster. Er stellte klar, dass solche Aussagen nicht die Werte der CDU widerspiegeln und dass Knurr als Mitglied dieser Fraktion eigentlich ein anderes Verhalten an den Tag legen sollte. Im Gespräch erklärte er, man wolle zunächst den Vorfall aufklären und ein persönliches Gespräch mit dem Ratsmitglied suchen.

Post wird gelöscht


Knurr reagierte schließlich auf das Gespräch mit Köster und löschte den umstrittenen Tweet. Der Fraktionsvorsitzende erklärte in einer erneuten Stellungnahme, dass sich beide einig seien, dass der Beitrag nicht mit den Werten der CDU vereinbar sei. Köster hatte Knurr gebeten, sich öffentlich zu entschuldigen – eine Entschuldigung, die wenig später in Knurrs sozialen Netzwerken erschien. In dieser schrieb der CDU-Politiker, der Beitrag sei „geschmacklos“ gewesen und er lehne Gewalt in jeglicher Form ab (Zitat: "Mich erreicht hier Feedback, mein gestriger Beitrag sei geschmacklos gewesen. Nun: stimmt."). Doch die Antwort auf die Kritiker wirkte wenig ernsthaft: „Nehmen Sie doch nicht immer alles so ernst“, schrieb Knurr weiter. Eine Entschuldigung, die in ihrer Tonalität erneut Fragen aufwarf.

Nicht der erste fragwürdige Post


Diese Episode ist nicht die erste polarisierende Äußerung von Knurr in sozialen Medien. Bereits am 18. Dezember, kurz vor dem Jahrestag des Anschlags auf den Berliner Breitscheidplatz, hatte er sich beispielsweise bereits mit einem fragwürdigen Post hervorgetan.

"Um von einem Ort an den anderen zu gelangen, musste ich gerade im Rahmen dessen, was die herumstehenden Personen zuließen, einen Weihnachtsmarkt überqueren. Ich sag`s mal so: ich verstehe jeden, der lieber einen LKW nimmt", schrieb Knurr in einem Kontext, der den Sicherheitsaspekt auf Weihnachtsmärkten in grotesker Weise hinterfragte. Es drängt sich die Frage auf, ob solche Aussagen wirklich das Bild eines verantwortungsbewussten Politikers zeichnen können.

Die CDU-Fraktion in Braunschweig hatte zwar angekündigt, die Angelegenheit forthin zu beobachten, ohne jedoch konkrete Konsequenzen zu benennen. Eine kurzfristige Anfrage zu einem Statement von Knurr blieb bislang unbeantwortet.

Mehr zur Knurr im Rat der Stadt Braunschweig:



Aktualisiert: Scharfe Kritik seitens der SPD


Nach Veröffentlichung des Artikels erhielt unsere Redaktion ein Statement des SPD-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden der SPD Braunschweig, Dr. Christos Pantazis. Er verurteilt den geschmacklosen Tweet des CDU-Ratsherrn und fordert Konsequenzen:

"Mit großer Bestürzung habe ich den jüngsten Tweet des CDU-Ratsherrn Sven-Markus Knurr zur Kenntnis genommen. In seinem Beitrag äußerte er 'volles Verständnis' für den schrecklichen Vorfall auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt, bei dem ein Auto in eine Menschenmenge gefahren ist.

Solche Aussagen sind nicht nur geschmacklos und unsensibel, sondern verhöhnen auch die Opfer und ihre Angehörigen. In einer Zeit, in der Zusammenhalt und Mitgefühl gefragt sind, ist es unerträglich, dass ein öffentliches Mandat tragender Politiker derartige Entgleisungen von sich gibt."


Er fordert die CDU Braunschweig auf, sich umgehend und unmissverständlich von den Äußerungen ihres Ratsmitglieds zu distanzieren. Es bedürfe einer klaren öffentlichen Entschuldigung von Herrn Knurr sowie interner Konsequenzen seitens der CDU, um solchen Vorfällen in Zukunft vorzubeugen, so Pantazis.

Und abschließend: "Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt erwarten zu Recht, dass ihre gewählten Vertreter verantwortungsbewusst handeln und sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sind. Es liegt nun an der CDU Braunschweig, das Vertrauen in die politische Kultur unserer Stadt wiederherzustellen."

Aktualisiert: CDU zitiert Knurr zum Gespräch


Auch Maximilian Pohler, Ratsherr der Stadt Braunschweig und Vorsitzender der CDU Braunschweig, richtete sich nach Veröffentlich mit einem Statement an unsere Redaktion:
"Die CDU Braunschweig distanziert sich auf das Schärfste von den Posts des Ratsherrn Sven-Markus Knurr in den sozialen Netzwerken. Die Äußerungen sind mit den Grundsätzen und Werten der CDU nicht vereinbar. Insbesondere handelt es sich nicht um Satire, sondern um undurchdachte, menschenverachtende und parteischädigende Äußerungen. Die CDU Braunschweig hat Sven-Markus Knurr aufgefordert, sich öffentlich für seine Verfehlungen zu entschuldigen und sich von seinen Äußerungen zu distanzieren. Wir haben Herrn Knurr am kommenden Montag zu einem kurzfristigen Gespräch eingeladen, um sich persönlich zu erklären. Der Kreisvorstand der CDU Braunschweig prüft danach weitere rechtliche Schritte, inklusive eines möglichen Parteiordnungsverfahrens."

Aktualisiert: Auch die Grünen kritisieren die Entgleisung


Mit Entsetzen habe man die gestrigen Tweets des CDU-Ratsherrn Knurr zur Kenntnis genommen. Dieser grausame Anschlag habe mehrere Tote und Verletzte gefordert, darunter ein Kleinkind. Er habe unermessliches Leid bei den Betroffenen und ihren Angehörigen hinterlassen. Viele Menschen schwebten derzeit noch in akuter Lebensgefahr und werden intensiv medizinisch behandelt.

Lisa-Marie Jalyschko und Leonore Köhler, Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN äußern ihre Fassungslosigkeit:

„Als Grüne Ratsfraktion verurteilen wir die Äußerungen von Herrn Knurr auf das Schärfste. Derartige Aussagen haben nichts mit Satire zu tun – sie sind respektlos gegenüber den Opfern und ihren Familien und unwürdig für jemanden, der ein politisches Mandat in unserer Stadt vertritt. Es ist unvorstellbar, dass ein gewählter Vertreter solche menschenverachtenden Tweets veröffentlicht. Die Äußerungen des CDU-Ratsherrn, die als 'Satire' deklariert werden könnten, sind in keiner Weise zu rechtfertigen. Sie verhöhnen die Opfer und ihre Angehörigen und zeigen eine erschreckende Empathielosigkeit. Der Gedanke an diese unfassbare Tat erschüttert uns zutiefst. Wir erwarten von der CDU-Ratsfraktion, umgehend Konsequenzen zu ziehen und sich von Herrn Knurr zu trennen. Alles andere ist nicht tragbar.“


Dagmar Gaida und Dr. Andreas Hoffmann, die beiden Sprecher des Kreisverbandes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Braunschweig, betonen:
„Die Tweets von Herrn Knurr sind nicht nur eine persönliche Entgleisung, sie werfen auch einen dunklen Schatten auf die CDU. Solche Äußerungen stimmen nicht mit den Werten der CDU überein, daher erwarten wir von der CDU Braunschweig und ihrer Ratsfraktion, dass sie sich umgehend klar und entschieden distanziert zeigen. Wir gehen davon aus, dass die Partei alle Fakten prüfen, Konsequenzen ziehen und Schritte einleiten wird, ihn sowohl aus der Fraktion als wohlmöglich auch aus der Partei auszuschließen. Besonders betroffen macht uns dieser Vorfall, da Magdeburg unsere Partnerstadt ist. Die enge Verbindung zwischen unseren Städten macht das Leid der Opfer und die Verantwortung, Respekt zu zeigen, umso größer. Solche Kommentare aus Braunschweig diskreditieren diese Partnerschaft und das gemeinsame Engagement für gegenseitiges Verständnis und Zusammenhalt. Es ist nicht tragbar, dass jemand, der solche widerlichen und abscheulichen Kommentare veröffentlicht, weiterhin politische Verantwortung in Braunschweig trägt. Die Würde der Opfer und ihrer Angehörigen muss immer über politischen Interessen stehen.“


Jalyschko, Köhler, Gaida und Hoffmann sind sich einig: "Wir als Grüne Ratsfraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Braunschweig stehen solidarisch an der Seite der Opfer und ihrer Familien. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt allen, die durch diese abscheuliche Tat betroffen sind. Worte wie die von Herrn Knurr sind ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen und haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Wir fordern die CDU auf, umgehend zu handeln und ihre Haltung klarzustellen."

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Ein Kommentar von regionalHeute.de Chefredakteur Werner Heise: